Bündnis 90/Die Grünen, neue Volkspartei oder „Bündnispartei“?
Während die Europawahlen im Mai 2019 rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien hohe Stimmenzugewinne bescherten, brachten sie auch, im Kontext des wachsenden Bewusstseins für den Klimawandel, beispielsweise in Deutschland (20%), Irland (17%), Finnland (16%) und in Frankreich (13%) eine „grüne Welle“ hervor.

Vor dem Hintergrund einer sich pluralisierenden politischen Landschaft und eines Abbröckelns der sozialen Basis der großen Volksparteien genießt Bündnis 90/Die Grünen die Gunst der Wähler. Das charismatische Führungsduo Baerbock-Habeck hat es sich zum Ziel gesetzt, die Partei, die in den derzeitigen Umfragen über einen Stimmenanteil von 20% verfügt, zu einer „Bündnispartei“ im Zentrum des politischen Spektrums umzuformen, die breite Bevölkerungsschichten vereint und eine Alternative zum Modell der Volksparteien bieten soll. In Anbetracht der Pandemie, die die wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts umso mehr verdeutlicht, sowie vor dem Hintergrund des Superwahljahres 2021 zielt der vorliegende Artikel darauf ab, die wesentlichsten Entwicklungen der ehemaligen Protestpartei zu beleuchten und die Auswirkungen des politischen Führungsanspruches auf ihre politische Basis, ihr Programm und ihre Strategie in den Blick zu nehmen.
Annette Lensing ist Germanistik-Dozentin an der Universität Caen-Normandie und Mitglied der Forschungsgruppe über Literatur, Vorstellungswelt und Gesellschaft (EA 4254), im Rahmen welcher sie ein Forschungsprogramm über die kulturellen und politischen Konzepte der Natur leitet.
Diese Publikation ist auf Französisch verfügbar: "Les Verts allemands, un nouveau parti de rassemblement ?" (pdf)
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