Unüberwindbare Divergenzen in der Haushaltspolitik Deutschlands und Frankreichs?

Deutschlands und Frankreichs finanzpolitische Haushaltsführung werden einander des Öfteren gegenübergestellt. Deutschland gilt als Musterschüler, der in der Lage ist, sein Defizit einzudämmen und Überschüsse zu erwirtschaften – was insbesondere zwischen 2012 und 2019 dank der Einführung der Schuldenbremse, die in der Verfassung verankert ist, der Fall war.

Aufgrund seines seit 1975 bestehenden Haushaltdefizits wird Frankreich regelmäßig ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Ab Mitte der 2000er Jahre divergierten die Haushaltsverläufe der beiden Länder deutlich, was sich am Haushaltssaldo und an der Staatsverschuldung messen lässt.
Doch im Kontext der „Polykrise“, die in Europa mit der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2010 begann, mit der Coronakrise weiterwütete, und bis zum russischen Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 reicht, unterscheiden sich die Auswirkungen auf die Handhabe der Staatsverschuldung in beiden Ländern deutlich. Das Fazit muss daher angesichts der Konsequenzen der jeweiligen verfolgten Maßnahmen differenzierter ausfallen:
Auf deutscher Seite belasten derzeit zu geringe öffentliche Investitionen die Qualität der Infrastruktur, insbesondere in den Bereichen Energie und Verkehr, aber auch bei der Einsatzfähigkeit der Armeen. Es folgen Überschüsse, die auf einem Wachstumsmodell beruhten, das nun stark internationalen Risiken ausgesetzt ist, und eine Zurückhaltung gegenüber einer stärkeren Koordinierung der Wirtschaftspolitik auf europäischer Ebene.
Frankreich ist haushaltspolitisch grundsätzlich schwächer aufgestellt, was in Zeiten geringen Wachstums und hoher Zinssätze – nach einer langen Zeit von Null- oder sogar Negativzinsen – ganz besonders deutlich zum Ausdruck kommt.
Während der Finanzierungsbedarf sowohl in beiden Ländern als auch in ganz Europa erheblich ist, um die Energiewende zu vollziehen, bestimmte Produktionen zu verlagern und die Verteidigungsfähigkeit zu stärken, stellt sich die Frage, welche haushaltspolitischen Maßnahmen Deutschland und Frankreich ergreifen sollten. Wo sind mögliche Konvergenzpunkte zu verorten? Kompromisse sind in jedem Fall unerlässlich, um die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts und darüber hinaus eine bessere Steuerung der europäischen Wirtschaftspolitik sicherzustellen.
- Diese Veröffentlichung wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut Jacques Delors, einem europäischen Think Tank, erstellt.
Dr. Andreas Eisl ist Research Fellow für Europäische Wirtschaftspolitik am Jacques Delors Institut und assoziierter Forscher am Pariser Institut für politische Studien (Sciences Po).
Diese Publikation ist auch auf Französisch verfügbar: Politique budgétaire en France et en Allemagne : des divergences insurmontables ? (pdf)
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